Rahmenabkommen: ein riskantes Spiel


Rahmenabkommen: ein riskantes Spiel

Der Bundesrat hat am 7. Dezember 2018 das institutionelle Rahmenabkommen zwischen der Schweiz und der EU veröffentlicht. Der Vertragsentwurf besteht aus 34 Seiten. Er beinhaltet das Abkommen, eine Beilage, drei Protokolle und drei politischen Erklärungen.

Die Europäischen Kommission betrachtet die Verhandlungen über das Rahmenabkommen als abgeschlossen. Sie erachtet den heute publizierten Text als das bestmögliche Ergebnis, das von beiden Seiten ausgehandelt worden ist.

Der Bundesrat ist mit den Ergebnissen der Verhandlungen nur zum Teil zufrieden. Das Verhandlungsergebnis überschreitet in wichtigen Punkten die roten Linien, die der Bundesrat selber festgelegt hatte, insbesondere im Bereich der Personenfreizügigkeit.

Der Lohnschutz ist die Knacknuss

Die EU ist nur zum Teil bereit, der Schweiz eine Sonderbehandlung beim Lohnschutz zu gewähren. Gemäss dem Vertragsentwurf muss die Schweiz das Entsenderecht der EU übernehmen. Die Schweiz muss auch den Umfang der heutigen Lohnschutzmassnahmen reduzieren.

Die generelle Voranmeldefrist für entsandte Arbeitnehmer wird von acht Tage auf vier Arbeitstage reduziert. Die Kontrolldichte wird aufgrund von Risikoanalysen vermindert. Die Kautionspflicht wird auf Firmen beschränkt, die ihren finanziellen Verpflichtungen nicht nachkommen. Die Dokumentationspflicht für Selbstständige wird auch beschränkt.

Im Bereich der Personenfreizügigkeit gibt es weitere umstrittene Punkte zwischen der Schweiz und der EU. Es handelt sich um die Übernahme der Unionsbürgerrichtlinie und die Revision der Verordnung über die Koordination der Sozialversicherungen.

Ein salomonischer Entscheid

In dieser schwierigen Lage hat der Bundesrat am 7. Dezember 2018 einen salomonischen Entscheid gefällt. Er hat sich weder für das Rahmenabkommen noch dagegen ausgesprochen. Er hat das Verhandlungsergebnis zur Kenntnis genommen.

Der Bundesrat hat entschieden, eine Konsultation bei den politischen Parteien, dem Parlament, den Sozialpartnern, den Verbänden und den Kantonen zu eröffnen. Zweck dieser Konsultation ist, vor allem in den noch offenen Punkten eine gemeinsame Haltung zu erreichen, um allenfalls im Frühling 2019 mit der EU das Gespräch zu suchen.

In der Schweiz sind die Gewerkschaften nicht bereit, Anpassungen bei den Lohnschutzmassnahmen anzunehmen. Sie haben im Sommer 2018 ihr Vetorecht eingelegt. Die Schweizerische Volkspartei (SVP) ist gegen ein Rahmenabkommen mit der EU.

Der Bundesrat spielt auf Zeit

Mit dem heutigen Entscheid gewinnt der Bundesrat Zeit in der Hoffnung, eine Kompromisslösung mit den Gewerkschaften und der sozialdemokratischen Partei (SP) zu erreichen. Es ist ein riskantes Spiel.

Bereits am 11. Dezember wird die Europäische Kommission entscheiden, ob sie die Gleichwertigkeit der Schweizer Börse über Dezember 2018 hinaus verlängert. Der Bundesrat hat einen Notfallplan erarbeitet,  falls die EU die Verlängerung der Gleichwertigkeit nicht gewährt. Der Notfallplan birgt Risiken und Unsicherheit für die Börsenhändler mit sich.

Wenn sich die Schweiz und die EU nicht auf ein Rahmenabkommen einigen, kann die Schweiz keine neuen Marktzugangsabkommen schliessen. Es besteht das Risiko von neuen Hürden für den Zugang der Schweiz zum EU-Binnenmarkt. Die Teilnahme der Schweiz an den europäischen Forschungsprogrammen wäre auch gefährdet.

(c) Andrea Arcidiacono

Quellen:

  1. Europapolitik: Der Bundesrat schickt den Text zum institutionellen Abkommen in die Konsultation, 7.12.2018, https://bit.ly/2AYDoII
  2. Der Vertragstext, 7.12.2018, https://bit.ly/2IOekv2
  3. Bundesrat setzt Massnahme zum Schutz der Schweizer Börseninfrastruktur in Kraft, 30.11.2018, https://bit.ly/2Sm1rZ3
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